28.02.2018: Stiftungsvorstand Christopher Brandt gratuliert der Geschäftsführung der Deutschen Umwelthilfe. Die Organisation hat die Forderung nach einem Dieselverbot in Städten vor das Bundesverwaltungsgericht gebracht. Der Kolumnist begrüßt das Urteil und analysiert Ursachen und mögliche Auswirkungen der polarisierenden Entscheidung.
Sehr geehrter Herr Resch,
zum Erfolg der Deutschen Umwelthilfe gratuliere ich Ihnen herzlich. Dank Ihres Engagements hat der Bundesverwaltungsgerichtshof richtig entschieden. Von nun an dürfen Städte Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge erlassen (Quelle: http://www.bverwg.de/pm/2018/9).
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stellt klar, was bereits seit Jahren klar sein sollte. Nämlich, dass umweltgesetzliche Grenzwerte verpflichtend und nicht lediglich optional einzuhalten sind. Die öffentliche Hand muss die erforderlichen Vorkehrungen treffen können, um die Einhaltung zu gewährleisten. Diese juristische Sachverhaltsbewertung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit war nicht sonderlich überraschend. Vielmehr war sie seit Abschluss der erstinstanzlichen Verfahren absehbar.
Die politische Dimension dieses Urteils ist weitreichend und folgenschwer für viele Millionen Eigentümer von Dieselfahrzeugen in Deutschland. Das einschneidende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts trifft sie hart. Angesichts dieses Debakels stellt sich die Frage, wer diese Katastrophe zu verantworten hat.
Auf der Suche nach einer Antwort wird man an den Manipulationsbestrebungen vieler Automobilhersteller kaum vorbeikommen: Zunächst haben diese die für die Typenzulassung vorgeschriebenen Testverfahren maßgeblich mit beeinflusst. Auch anschließende technische Vorkehrungen wie beispielsweise die Programmierung der Bordelektronik hatten nichts Gutes im Sinn. Vielmehr haben diese zwar gewährleistet, dass die kraftfahrzeugspezifischen Grenzwerte unter Laborbedingungen eingehalten werden. Aber zugleich nahmen die Verantwortlichen in der Automobilindustrie damit in Kauf, dass die Emissionen im realen Betrieb deutlich höher ausfallen. Konsequenz dessen war und ist die regelmäßige Überschreitung der maximal zulässigen Schadstoffkonzentrationen in den verkehrsbelasteten Ballungszentren.
Hier hat die öffentliche Hand versagt. Dem Bundesverkehrsministerium und dem Kraftfahrtbundesamt waren die Manipulationen offenbar schon längere Zeit bekannt. Im Kontext der Typenzulassung wurden diese lediglich mit „industriefreundlichen Grüßen“ (vgl. SPIEGEL vom 11. November 2016; http://www.spiegel.de/auto/aktuell/absprache-zwischen-kba-verkehrsministerium-und-autoherstellern-a-1120641.html) quittiert. Es bestand offenbar ein behördliches Selbstverständnis über ein Schutzpatronat für die deutsche Automobilindustrie. Denn im Ergebnis wurden die manipulativen Aktivitäten der Autoindustrie über Jahre gedeckt. Eigentlich wäre es die Aufgabe der Verkehrsverwaltung gewesen, rigoros für die Einhaltung der geltenden Standards zu sorgen.
Das selbstauferlegte Schutzpatronat hat, soviel ist nicht erst seit dem Leipziger Urteil klar, allen den Beschützten einen Bärendienst erwiesen. Denn der laxe Umgang mit den Umwelt-Grenzwerten zieht erhebliche wirtschaftliche Folgen nach sich. Diese haben bereits zu einer umfangreichen Wertvernichtung bei den betroffenen Unternehmen und den Fahrzeugeigentümern geführt mit nicht abzusehendem Ende. Die Auswirkungen beschränken sich nicht nur auf Deutschland. Bereits jetzt finden sie ihren Widerklang auch jenseits des Atlantiks und auf dem aufgrund seiner Größe sehr wichtigen Automarkt Chinas. Überdies dienten die vermeintlich sauberen Dieselantriebe zu lange als Feigenblatt. Auch deshalb wurden saubere Antriebsalternativen nicht mit Nachdruck entwickelt. Als Konsequenz daraus sind die deutschen Autobauer ins Hintertreffen geraten.
Gewiss sind die kurzfristigen Auswirkungen der unsanften Klärung der Rechtslage durch das Bundesverwaltungsgericht hart. Dennoch wird das Urteil mittelfristig heilsame Wirkungen entfalten. Denn die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen und ihre Integration in die städtischen Luftreinhaltungspläne war überfällig. Dank ihr wird die Schadstoffbelastung in den Ballungszentren zurückgehen. Und der Automobilbranche wird eine Anpassung ihrer Unternehmensstrategie abverlangt. Nun kann sie mittelfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene wieder verbessern.
Jenseits dieser Erwägungen wird der Richterspruch aus Leipzig Gutes bewirken. Er lenkt den Blick auf die Entscheider in unseren Unternehmen. Denn deren gesellschaftliche Verantwortung ist enorm. Die Apathie der Politik angesichts des Dieselskandals war ein verheerendes Signal: Selbst wer vorsätzlich manipuliert, um umweltgesetzliche Grenzwerte zu umgehen, braucht keinerlei Sanktion zu fürchten. Vielmehr wäre es sogar geschäftsschädigend, moralisch zu handeln. Denn auf dieser Grundlage wäre die Einhaltung wirtschaftsethischer Standards unwirtschaftlich. Schließlich würde sie einen Verzicht auf Gewinnmaximierung bedeuten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat indirekt der „Moral“ in der Wirtschaft ein Podium geschaffen. Von nun an sollten die „Guten“ in einem Unternehmen wieder eine Stimme haben. Denn wer zukünftig auf die Einhaltung wirtschaftsethischer Standards besteht, dem wird hoffentlich Gehör geschenkt. Und das ist gut so. Für uns alle.
Über Christoper Brandt:
Schon als Kind hat sich der Kolumnist gefragt, wo eigentlich der ganze Rauch bleibt, der aus Schornsteinen und Auspuffrohren rauskommt. Von dieser Frage bis zum Experten für Internationalen Emissionshandel war es ein langer Weg. Nach einem Jurastudium mit anschließendem Referendariat entwickelte Christopher zahlreiche internationale Klimaschutzprojekte. 2011 hat er die gemeinnützige Climate Concept Foundation ins Leben gerufen. Seitdem setzt er sich dafür ein, dass es weniger von allen möglichen Schadstoffen und klimaschädlichen Gasen gibt. Denn heute weiß er: Die sind eben nicht einfach weg, nur weil man sie nicht mehr sieht.