… mit unseren Kooperationspartner*innen aus den Forstrevieren
Seit zwei Jahren sind die NaWi-Forscher*innen auf den Buchenwaldflächen in Schleswig-Holstein, Hessen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen unterwegs. Sie gehen der Frage nach, wie sich adulte – also ausgewachsene – Rotbuchen an Klimaveränderungen anpassen und inwiefern dabei die Eingriffe des Menschen Einfluss auf die Anpassungsmechanismen der Buchen haben. In diesem Beitrag kommen die Kooperationspartner*innen aus den Forstrevieren zu Wort. Wie schätzen die Förster*innen die aktuelle Situation ihrer Bestände ein? Wie arbeiten sie mit den Wäldern? Was wünschen sie sich für die Zukunft? Dafür haben wir im Sommer 2021 sechs Förster*innen interviewt. Zwei von ihnen haben wir auf ihren Bestandsflächen in Sachsen-Anhalt besucht.

An allen Projektstandorten ist erkennbar, dass die extrem niederschlagsarmen und heißen Sommer 2018 und 2019 dauerhafte Auswirkungen auf den Zustand der Waldökosysteme hatten. Deren Folgen sind trotz der wieder dem langjährigen Durchschnitt entsprechenden Wassereinträge in den Jahren 2020 und 2021 nach wie vor erkennbar.
Blick in den Wald von morgen
Die Forschenden entwickelten ein Flächendesign, das einen statistisch abgesicherten Vergleich der Buchenbestände der vier Bundesländer ermöglicht. Neben einem Klima- und Wirtschaftsgradienten berücksichtigen sie auch die Wasserversorgung und die Standortbedingungen. Letztere beschreiben sie auf einer Skala von „optimal“ bis hin zu „bestandsgefährdend“. Die Untersuchungsflächen in Sachsen-Anhalt liegen im Regenschatten des Harzes. Sie sind trockener als die anderen Projektflächen. Daher geben sie bereits jetzt einen Einblick, wie sich die Buchenwälder in Zukunft unter dem (klimawandelbedingt) zu erwartenden Trockenstress verhalten werden. Daraus lassen sich wichtige Schlüsse für die Bestände an anderen Standorten, die gegenwärtig klimatisch begünstigter sind, gewinnen. Das sind beispielsweise die küstennahen, mit vielen Niederschlägen und einer guten Nährstoffversorgung der Böden ausgestatteten Wälder am Projektstandort Schleswig-Holstein. Über die Gespräche geben die Förster*innen nun einen Einblick in die sehr unterschiedlichen Untersuchungsstandorte.

„Den Bäumen geht es nicht besser!“ Sachsen-Anhalt
Die Unterschiedlichkeit der Standortbedingungen macht deutlich, dass es kaum bundesweite Lösungen für den Umgang mit den Wäldern geben kann. „Es muss auf die jeweiligen Vorort-Verhältnisse bezogen sein, wie man dann weiter macht“, sagt der Forstbetriebsleiter Holger Koth. An einem regnerischen Julitag in 2021 treffen wir ihn auf seinen Waldflächen in Sachsen-Anhalt. Diesmal knistert kein vertrocknetes Laub unter den Füßen, wie es in den Vorjahren seit 2018 der Fall war. Nur das leise Rauschen von Nieselregen ist zu hören. Auf den ersten Blick wirkt der Wald grün und erholt, doch der Eindruck trügt. Es sind mehr Blätter gewachsen und die Baumkronen erscheinen fülliger als in den Jahren zuvor. Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass die Bäume unter Trockenstress leiden. Die Verfügbarkeit von Wasser ist nach wie vor limitiert. Gleich zu Beginn unseres Gespräches, dass wir im Video festgehalten haben, merkt der Forstamtsleiter an: „Den Bäumen geht es nicht besser!“
Bislang gibt es keine Erfahrungen im Umgang mit den Folgen solcher Naturereignisse, wie sie seit 2018 aufgetreten sind. Das bestätigt auch Dieter Hoppe, den wir im Anschluss an das Gespräch mit Holger Koth treffen. Als Revierleiter und Waldschutzbeauftragter betreut er den direkt benachbarten Stadtwald Allstedt. Er zeigt uns die auch hier stark von der Trockenheit gezeichneten Flächen und erklärt, woran trockenheitsbedingte Schädigungen erkennbar werden.
Bereits seit Jahrzehnten werden im Stadtwald Allstedt Fichtenreinbestände in Laubholzbestände umgewandelt. „Das war ja schon immer Ziel und da gab es auch schon immer Fördermaßnahmen“, sagt er. Ohne diese Maßnahmen würden die Trockenschäden in seinem Revier heute noch katastrophaler ausfallen.
„In der forstlichen Wahrnehmung findet der Klimawandel nicht erst seit 2018 statt.“
In der forstlichen Wahrnehmung findet der Klimawandel nicht erst seit 2018 statt, sondern schon sehr viel länger, merkt auch Henner Niemann an. Dass hier schon länger viel getan werde, ist in der öffentlichen Wahrnehmung bislang nur nicht besonders präsent gewesen, sagt er. In seiner gesamten Arbeit als Forstamtsleiter, seit 2002 zunächst im Odenwald und aktuell nun seit 2014 bei den Kreisforsten Herzogtum Lauenburg in Schleswig-Holstein, berücksichtigen er und sein Team den Klimawandel bei der Waldentwicklung. Mehr Klimastabilität soll über eine Arten- und Strukturvielfalt erzielt werden. In seinem küstennah gelegenen Forstbezirk ist die Trockenheit der letzten Jahre im Vergleich nur mäßig spürbar.

Bereits seit den 1980er Jahren setzte, motiviert durch auftretende Ereignisse wie den sauren Regen, ein Umdenken in der Bewirtschaftungsweise der Wälder ein, sagt Niemann. Er hält es für zutreffend zu sagen, dass bis in die 1980er Jahre hinein die Intention, Gewinne aus dem Wald zu erwirtschaften, forstwirtschaftlich dominant war: „Ökologie war nicht ganz außen vor, aber sie war auch nicht unbedingt im Fokus.“ Ein Paradigmenwechsel in der Bewirtschaftungsweise war eingeleitet und setzte sich im Zuge der Orkanereignisse in den 1990er Jahren fort. Denn ganze Wälder – nicht allein nur die anfälligeren Reinbestände aus einer Baumart und einer Altersklasse bestehend, sondern auch widerstandsfähigere Laubmischwälder – wurden in der Vergangenheit „weggeputzt“, wie Niemann es formuliert.
„Keine Euphorie, nur eine positive Einschätzung des Bestandszustands“: Schleswig-Holstein
Die Kreisforsten Lauenburg passen die Intensität der Holznutzung individuell an: „Wir gehen durch den Bestand und schauen, was in diesem Moment zwingend notwendig ist, um die Waldentwicklung hier in die richtige Richtung zu lenken. Wir nutzen daher sehr vorsichtig, vielleicht nur 20 Kubikmeter auf den Hektar. Der Baum wird nicht geerntet weil er dick genug ist sondern, um einen Lichtkegel für lichtbedürftige Nachbarbäume und die nächste Waldgeneration zu schaffen […] Wir machen Waldbau zur Herstellung eines klimastabilen wertvollen Waldes. Dabei fällt Holz an und das Holz verkaufen wir. Der sich daraus ergebende Ertrag ist eine resultierende und nicht eine bestimmende Größe.“
Die Kreisforsten im Herzogtum Lauenburg haben bislang keine größeren Ausfallerscheinungen aufgrund der Trockenheit zu verzeichnen. Nur etwa 40 Hektar der Kreisforstfläche von insgesamt rund 10.000 Hektar sind bisher von Schäden betroffen, sagt Niemann. Aufgrund gefallener Niederschläge und des spät einsetzenden Frühjahrs und Sommers in 2021 stellt er in Bezug auf die Wasserversorgung seines Waldes derzeit etwas Entspannung fest. Sein Fazit fällt positiv aus. Und doch setzt Niemann noch einmal vorsichtig nach: „Keine Euphorie, nur eine positive Einschätzung des derzeitigen Waldzustandes.“

„Also unserem Wald geht’s relativ gut!“ sagt Knut Sturm, Bereichsleiter des benachbarten Stadtwaldes Lübeck. Er bilanziert unter den alten Buchenbeständen seiner Flächen keine wahrnehmbaren Reaktionen auf die Klimaextreme, wie sie überall woanders zu sehen sind. Einzig die wenigen noch vorhandenen Nadelbestände seien zum Teil merklich davon betroffen.
„Holz ist ein wunderbarer Rohstoff!“
Sturm begreift sich als „Manager von diesem Wald.“ In diesem Zusammenhang sieht er es als seine Aufgabe an, „Holz zu machen, weil Holz ein wunderbarer Rohstoff ist. Der wächst nach, den schenkt mir die Natur, er ist ein Angebot der Natur, ihn auch zu nutzen. Und dann tue ich das! Ich spreche mich überhaupt nicht dafür aus, die Wälder komplett aus der Bewirtschaftung zu nehmen, im Gegenteil. Ich denke, wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir diese Wälder intelligent bewirtschaften!“ Er fügt hinzu, dass Sägewerke und Handel am Holz verdienen und nicht die Urproduzenten. Das Problem sieht er in der Verteilung. Sturm wünscht sich ein grundsätzlich neues Denken, das weg von einer zu sehr holzorientierten Nutzungsweise geht. „Wir sind vielmehr ein Dienstleistungsunternehmen mit Schwerpunkt Waldmanagement“, sagt er. Die Politik versuche gegenwärtig „mit althergebrachten Mitteln die Urproduzenten ruhig zu stellen: Per Gießkannenprinzip mit Geld aus dem Landwirtschaftsministerium“.
Auf seinen Flächen verbleibt das Totholz. Das habe sich im Nachhinein als extrem positiv herausgestellt, sagt er. Diese Vorgehensweise entspricht seiner Zielsetzung, die Wälder geschlossen zu halten. „Da unterscheiden wir uns von vielen anderen die eher darauf setzen, einzelne Bäume zu fördern und damit die Wälder eher offen zu halten, um dadurch den Niederschlag in den Boden zu überführen.“ Mit seiner Art der Bewirtschaftung schaut Sturm zukunftsfroh voraus.
Am küstenfernen Standort Hessen Forst indes blickt der Bereichsleiter des Forstamts Nidda, Anselm Möbs, hingegen sorgenvoller in die Zukunft seines Waldes. Wissenschaftliche Prognosen verweisen auf weitreichende Veränderungen seiner Bestände.

„Die Bäume hier müssen in den nächsten Jahrzehnten mit einem Wasserdefizit zurechtkommen“: Hessen
Das in Mittelhessen gelegene Forstamt Nidda befand sich bislang im klimatischen Buchenoptimum, sagt Anselm Möbs. Buche, Eiche und Edellaubhölzer machen den Hauptteil des Waldes aus. Nadelholz betrifft nur einen kleinen Anteil (je nach Betrieb zwischen 5-20 Prozent). Die perspektivische Entwicklung der Bestände zwischen 2041 bis 2070 sieht auf Basis von Berechnungen der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt „relativ schlimm“ aus, resümiert Möbs. Laut Prognose müssen die Buchen in den nächsten Jahrzehnten während der Vegetationszeit mit einem Wasserdefizit zurechtkommen, dessen Ausmaß ihre Überlebensfähigkeit in Frage stellt. Heute lässt sich nicht absehen, wie sich die Buchen verhalten werden. Möglicherweise passen sie sich auch an und wachsen in 50 Jahren nur noch 25 Meter hoch, statt wie heute, 45 Meter. Um seine Wälder dauerhaft am Leben erhalten zu können, denkt Möbs perspektivisch eher an eine Arbeit mit Eiche und Edellaubhölzern. Dazu zählen beispielsweise Kirsche und Spitzahorn. Diese Hölzer überstehen ein prognostiziertes Wasserminimum in den nächsten 50 bis 100 Jahren besser.
„Wir versuchen, den Wald durch den Klimawandel zu begleiten.“
Anselm Möbs unterstreicht: „Unsere Aufgabe als Forstleute ist es da, wo Freifläche entsteht, weil ein ganzer Bestand oder ganze Flächen absterben, wieder Wald – klimatolerante Baumarten – hinzubringen. Wir versuchen, den Wald durch den Klimawandel zu begleiten und hoffen, dass uns das in den nächsten Jahrzehnten gelingt und sie uns erhalten bleiben.“
Die gegenwärtigen Entwicklungen bringen viele Sorgen mit sich, wovor nicht die Augen verschlossen werden dürfen, betont Möbs. „Man muss einfach wissen, wo wir stehen, nur dann kann man zielgerichtet handeln. Wir brauchen Wissenschaft und Fachleute. Wir müssen uns aktiv darum kümmern!“ Eine positive Aufgeschlossenheit und Bereitschaft die Herausforderungen anzugehen, erlebe er auch immer wieder in Gesprächen mit jungen Vertreter*innen seiner Branche. Er resümiert: „Wir wollen alles daran setzen diese junge Generation jetzt nachzuziehen und diese Arbeit zu übergeben.“
„Wer, wenn nicht wir, sollen diese Aufgabe annehmen?“
Lena Dzeia, Leiterin des Fachdienstes Stadtwald Göttingen, spricht Anselm Möbs aus dem Herzen. Sie trat in der ersten Trockenheitsphase des heißen Sommers 2018 ihren Dienst als Forstamtsleiterin an und fragt „Wer, wenn nicht wir, sollen diese Aufgabe annehmen? Wir haben ein Wahnsinnsknowhow über ein Riesenstudium, über Vorbereitungsdienste.“ Diese gute Ausbildung betrachtet Dzeia als gute Ausgangsbasis, um Lösungswege für neue Herausforderungen entwickeln zu können. Denn, so ergänzt sie nahezu in einem Atemzug: „Ich glaube, wir müssen jetzt einfach akzeptieren, dass wir weniger über die zukünftigen Entwicklungen wissen, als wir uns wünschen würden. Wir merken, dass sich die Rahmenbedingungen zügiger ändern als vorher. Wir merken, dass uns zum Teil in vielen Bereichen die Erfahrungen fehlen.“ Umso wichtiger sieht sie für die Zukunft, dass „wir als Branche auch den fachlichen Austausch nutzen, dass wir mehr nach links und nach rechts schauen.“

„Es könnte alles viel schlimmer sein.“ Niedersachsen
Lena Dzeia hätte erwartet, dass es ihren Beständen aufgrund der Trockenheit der letzten Jahre deutlich schlechter geht, als es aktuell der Fall ist. In Bezug auf die Wasserversorgung liegt Göttingen außerhalb des Buchenoptimums. Der tendenzielle Mangel an Wasser hat sich in den vergangenen Jahren noch verstärkt. Aktuell gibt es zwar Absterbeerscheinungen bei Buche und Bergahorn, aber weniger als erwartet. Für ihren Betrieb summiert Dzeia: „es könnte alles viel schlimmer sein“. Angesichts des mangelnden Niederschlages musste sie eine Entscheidung für den Betrieb treffen, so Dzeia. Seitdem werden nur noch abgestorbene Bäume an Wegen und Straßen entfernt. Über die verringerten Eingriffe innerhalb der Bestände ist das Kronendach des Waldes geschlossener geblieben. Das stärkte das Waldbinnenklima. Die Verdunstungsrate konnte verringert und damit das Wasser in den Beständen besser gehalten werden. Sie vermutet, dass auf diese Weise die Auswirkungen der Trockenheit zumindest ein bisschen abgemildert worden sind.
Dzeia betont nochmals, dass eine individuelle Betrachtungsweise der Standorte und ihrer Bewirtschaftungsweisen wichtig ist. Jeder Betrieb versuche schließlich für sich eine Lösung zu finden. Denn es würden so unglaublich viele Umweltfaktoren das Wachstum beeinflussen. Und die Politik gibt die Richtung vor. Für den Göttinger Stadtwald ist die Holznutzung der Erholungsfunktion untergeordnet. Andere Waldbesitzende nutzen ihren Wald wiederum anders.

„Es ist ein Dialog.“
Vielleicht haben andere Kolleg*innen anders für ihren Wald entschieden, sagt Dzeia, und andere Erfahrungen gewonnen. Während in ihrem Betrieb die absterbenden Bäume zum Teil bewusst im Wald gelassen wurde, holten andere Betriebe alle absterbenden Bäume aus ihren Beständen. Um damit noch Geld zu verdienen und das Holz vor der völligen Entwertung zu schützen. Spannend fände sie einen Austausch zwischen Betriebsleitenden: Was hat gut funktioniert und was hat schlecht funktioniert? „Wir müssen von und miteinander lernen!“, sagt Dzeia. Und das gerade in Zeiten, wo alles so ein bisschen unsicher ist. Wichtig sei es offen zu bleiben und sich branchenübergreifend Tipps zu holen. „Denn es gibt ganz, ganz viele, die uns bei dem Thema helfen können und ganz viele, die natürlich auch betroffen sind“, ist sie überzeugt.
Wichtig sei, dass man den Prozess als das begreift was es ist: „Es ist ein Dialog.“ Dzeia resümiert: „Ich fände es schön, wenn wir als Branche emotional für den Wald und die Waldbesitzenden bleiben und uns aber sachlich offener austauschen könnten zu Erfolgen und aber auch zu Misserfolgen. Dass wir positiv emotional bleiben und sagen, ja, ich möchte das Beste für diesen Wald hier!“ Dzeia ist gespannt auf die wissenschaftlichen Ergebnisse und auf die Erfahrungen anderer Kolleg*innen. Natürlich ist es ihre Hoffnung, nicht ganz falsch entschieden zu haben, schließt sie. Aber wenn doch, bekäme sie über einen Dialog eine Idee, was sie wie besser machen könne. „Und wenn es zu emotional wird, wird es oft schwierig.“


Laufzeit des Forschungsprojekts: 08/2019 – 12/2022.